Decision-OS Insights · Psychologie & Mensch

Motion vs. Progress: Warum „Busy“ kein Statussymbol ist

Subline: Wir verwechseln geschäftiges Treiben mit echtem Fortschritt. Warum ein voller Kalender oft nur Reibungswärme erzeugt – und wie Sie das ändern.

Motion vs. Progress Savannengehirn Leadership Decision-OS

Fragen Sie eine Führungskraft, wie es läuft, und die Antwort ist fast immer: „Viel zu tun. Land unter. Kalender voll.“ Überlastung gilt als Ehrenabzeichen. Wer keine Zeit hat, ist wichtig. Wer Luft im Kalender hat, wirkt verdächtig „unterfordert“.

Aus physikalischer Sicht ist das ein Trugschluss. Wir müssen lernen, zwei Zustände radikal zu unterscheiden: Motion (Bewegung, Wärme) und Progress (Fortschritt, Vektor). Erst dann können wir ernsthaft über Leistung sprechen.

Das Hamsterrad der Wichtigkeit

In vielen Kulturen der Wissensarbeit gilt Überlastung als Statussymbol. Wer ständig in Calls ist, Mails bis spät nachts beantwortet und Wochen im Voraus ausgebucht ist, gilt als „unverzichtbar“. Wer Zeit für ein Mittagessen oder Deep Work hat, wirkt schnell verdächtig „unterbeschäftigt“.

Das Problem: Unser Savannengehirn belohnt sichtbare Aktivität. Es liebt das Gefühl, gebraucht zu werden, und verwechselt schnell „viel los“ mit „wir kommen voran“.

Genau hier setzt die Unterscheidung von Motion und Progress an. Sie ist die physikalische Grundlage des Decision-OS.

Die Physik der Arbeit

In der Physik ist Arbeit definiert als:

W = F × s

Kraft mal Weg.

Diese Formel enthält eine brutale Wahrheit: Wenn Sie mit maximaler Kraft gegen eine massive Wand drücken, schwitzen Sie. Sie verbrauchen Kalorien. Sie sind erschöpft.

Aber die Wand bewegt sich nicht. Die Strecke s = 0. Physikalisch haben Sie keine Arbeit verrichtet.

In Organisationen passiert genau das jeden Tag. Menschen geben alles, sind abends leer – aber das System hat sich keinen Zentimeter bewegt. Wir verwechseln das Schwitzen mit dem Ergebnis.

Zustand A: Motion (Wärme)

Motion ist ungerichtete Energie.

  • Symptome: Sie springen von Meeting zu Meeting. Sie beantworten E-Mails im Sekundentakt. Sie koordinieren Taskforces und Ad-hoc-Runden.
  • Gefühl: Es fühlt sich produktiv an. Sie sind „drin“, permanent gefragt, ständig im Austausch. Das Nervensystem bekommt kontinuierlich kleine Dopamin-Häppchen.
  • Ergebnis: Reibungswärme. Die Organisation glüht, die Menschen brennen aus – aber der strategische Vektor bleibt Null.

In Motion-Systemen entsteht oft das, was wir im Decision-OS „organisatorische Thermik“ nennen: viel heiße Luft, wenig Vortrieb.

Zustand B: Progress (Vektor)

Progress ist gerichtete Energie.

  • Symptome: Eine Entscheidung wird getroffen. Ein Projekt wird offiziell beendet. Ein Pricing wird freigegeben. Ein Kunde unterschreibt.
  • Gefühl: Häufig unangenehm. Es entsteht cognitive friction, weil man sich festlegt, Optionen abschneidet und Verantwortung übernimmt.
  • Ergebnis: Die Realität verändert sich. Das Unternehmen ist dem Ziel messbar näher gekommen.

Progress ist der Moment, in dem der Vektor sichtbar wird: vorher/nachher. Alles andere ist nur das Geräusch, das das System macht, während es sich weigert, sich zu verändern.

Das Paradoxon der 100 Prozent Auslastung

Warum tolerieren wir so viel Motion? Weil wir Slack, also Luft im System, fälschlicherweise mit Ineffizienz verwechseln.

Die Warteschlangentheorie lehrt uns: Ein System, das zu 100 Prozent ausgelastet ist, ist ein Stau. Eine Autobahn bei 100 Prozent Belegung steht. Eine CPU bei 100 Prozent Last friert ein.

Übertragen auf Führung heißt das:

  • Eine Führungskraft mit lückenlosem Kalender ist kein Held der Arbeit.
  • Sie ist ein Flaschenhals für alle, die Entscheidungen brauchen.

Wenn eine Mitarbeiterin eine Entscheidung braucht, der Chef aber erst in drei Tagen einen Slot frei hat, steht die Mitarbeiterin. Die scheinbare Effizienz der Führungskraft wird zur Ineffizienz des gesamten Systems.

Busy ist ein Designfehler

Wenn jemand sagt „Ich bin total busy“, sollten wir nicht bewundernd nicken, sondern neugierig fragen:

„Warum sind deine Prozesse so gebaut, dass du permanent bei allem gebraucht wirst?“

In einer gut designten Organisation ist das Ziel nicht, alle Menschen maximal auszulasten. Das Ziel ist, das System so zu bauen, dass Progress mit möglichst wenig Motion entsteht.

Oder anders formuliert: Die einzige Aufgabe von Führung ist es, Motion in Progress zu verwandeln. Alles andere ist Verschwendung.

Call to Action: Wärme reduzieren, Vektor erhöhen

Wenn Sie Motion und Progress im Alltag sichtbar machen wollen, brauchen Sie Telemetrie:

Im Decision-OS-Handbuch finden Sie in Kapitel 2 die physikalischen Grundlagen für Hochleistungsteams und in Kapitel 3 die zugehörigen Kennzahlen und Rechner.

Vom „Busy-Kult“ zur Entscheidungsarchitektur

Dass „viel zu tun“ in vielen Unternehmen noch immer als Statussymbol gilt, ist kein Zufall, sondern die Folge evolutionsbiologischer und kultureller Prägung. Unser Savannengehirn bevorzugt Sichtbarkeit vor Wirkung: Wer rödelt, wirkt loyal. Wer still nachdenkt, wirkt schnell verdächtig. Das führt zu einer Kultur, in der Motion sozial belohnt und Progress oft verzögert wird.

Decision-OS setzt genau hier an. Statt Appelle zu starten („Wir müssen fokussierter arbeiten“), verändert es die Architektur: Klar definierte Rollen (DRI), eine Delegation of Authority, ein maschinenlesbares Decision-Log und harte Metriken wie TtD und Re-Open Rate machen sichtbar, wo Energie nur in Wärme verpufft.

Gleichzeitig integriert Decision-OS psychologische Konzepte wie psychologische Sicherheit und ACT (Akzeptanz- und Commitment-Training). Denn Progress erzeugt Reibung: Entscheidungen tun weh, schneiden Optionen ab und machen Verantwortliche angreifbar. Ohne strukturellen Schutz rutscht die Organisation reflexhaft zurück in Motion – viel Aktivität, wenig Risiko.

Wenn Sie Ihre Organisation von einem „Busy-Kult“ zu einem System echter Entscheidungsstärke entwickeln wollen, brauchen Sie beides: eine harte Governance-Logik und ein realistisches Verständnis menschlicher Psychologie. Genau diese Kombination liefert das Decision-OS Framework – vom Boardroom bis ins Weekly Tactical.

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