Decision-OS Insights · Governance-Kultur

Re-Open Rate (RoR): Was eine hohe Quote über Ihre Führungskultur aussagt

Subline: Warum manche Entscheidungen zu Zombies werden, die immer wiederkehren – und wie Sie den „Zyklus der Untoten“ stoppen.

Re-Open Rate Decision Culture Shadow Governance Decision-OS

Sie kennen das Szenario: Letzte Woche wurde im Meeting beschlossen, ein neues CRM-System einzuführen. Alle haben genickt, das Protokoll wurde verschickt. Eine Woche später sagt jemand im Flur: „Ich habe da doch noch Bauchschmerzen. Sollten wir nicht lieber noch warten?“ – und zack: Das Thema steht wieder auf der Agenda.

Im Decision-OS nennen wir das den Re-Open Loop. Entscheidungen werden formal getroffen, aber sie sterben nicht. Sie wandeln als „Untote“ durch die Organisation. Das ist nicht nur nervig, sondern ein massiver Vernichter von Vertrauen und Exekutionskraft.

Täglich grüßt das Murmeltier im Meeting

Der Vorgang ist immer gleich:

  • Im Weekly wurde eine Entscheidung getroffen, alle nicken, das Protokoll geht raus.
  • Ein paar Tage vergehen. Im Flur, in einem Call oder im Chat meldet sich jemand mit „Restzweifeln“.
  • Die Entscheidung wird wieder aufgemacht – und landet erneut auf der Agenda.

So entstehen Zombie-Entscheidungen: Sie sind formal beschlossen, aber nie wirklich „durch“. Sobald Mitarbeitende merken, dass ein „Ja“ kein Ja ist, sondern nur eine Zwischenmeinung, entsteht Strategic Freeze. Sie warten ab, statt zu exekutieren.

Die Messung der Wankelmütigkeit

Um das Problem zu lösen, müssen wir es zuerst messbar machen. Im Decision-OS nutzen wir dafür die Re-Open Rate (RoR).

Definition: Die Re-Open-Rate ist der prozentuale Anteil der Entscheidungen, die bereits den Status Decided hatten, aber innerhalb von 30 Tagen wieder auf Review oder Draft zurückgesetzt wurden.

Die Formel:

RoR = (Anzahl wiedereröffneter Entscheidungen / Anzahl aller Entscheidungen im Zeitraum) × 100

Die RoR wirkt wie ein Fieberthermometer für Ihre Entscheidungskultur: Sie zeigt, wie stabil Ihre Beschlüsse sind – oder wie häufig sie „kippen“.

Die Diagnose: Was Ihre Quote verrät

Im Decision-OS nutzen wir folgende Richtwerte für die Interpretation:

  • < 5 % (Stabil): Ihr Team arbeitet sauber. Entscheidungen werden respektiert, Einwände werden vor dem Beschluss eingebracht. Es herrscht Disziplin.
  • 5–10 % (Warnsignal): Es knirscht. Häufig wurden wichtige Stakeholder vor der Entscheidung nicht konsultiert. Sie melden sich erst danach – und reißen den Prozess wieder auf.
  • > 10 % (Toxisch): Alarmstufe Rot. Entscheidungen sind faktisch wertlos. Es entsteht eine Kultur der Schein-Zustimmung: Im Meeting nickt man, um Ruhe zu haben, im Flur wird sabotiert. Shadow Governance übernimmt.

Eine dauerhaft hohe RoR ist fast nie ein „Tool-Problem“. Sie ist ein Symptom für eine wackelige Governance und eine Kultur, in der das Meeting nur Bühne ist – und die eigentlichen Kämpfe danach stattfinden.

Die Heilung: Re-Opening nur mit Ticket

Der Reflex, Entscheidungen „nochmal aufzumachen“, lässt sich nicht durch Appelle („Wir müssen disziplinierter sein“) heilen. Sie brauchen ein klares Protokoll mit Hürden.

Im Decision-OS gilt die eiserne Regel:

„Ein Re-Open ist keine Korrektur eines Gefühls, sondern eine Reaktion auf eine neue Realität.“

Eine Entscheidung darf nur dann wieder geöffnet werden, wenn neue Fakten vorliegen, die zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung objektiv nicht bekannt waren.

  • „Ich habe meine Meinung geändert“ – ist kein Fakt. ⛔
  • „Ich habe noch Bauchschmerzen“ – ist kein Fakt. ⛔
  • „Der Gesetzgeber hat eine neue Verordnung erlassen“ – das ist ein Fakt. ✅

Wer eine Entscheidung re-open will, muss ein kurzes Re-Open Memo schreiben:

  • Welche Entscheidung (DEC-ID) soll neu bewertet werden?
  • Welche neuen Informationen liegen vor?
  • Warum machen diese Informationen die ursprüngliche Wette offensichtlich falsch?

Damit erhöhen Sie die „Kosten“ des Meckerns. Wer den Prozess stoppen will, muss arbeiten – und nicht nur ein Gefühl äußern.

Disagree & Commit statt Endlos-Schleifen

Eine niedrige Re-Open-Rate heißt nicht, dass alle immer einer Meinung sind. Im Gegenteil: In leistungsfähigen Organisationen gibt es harte Diskussionen – aber am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt.

Das Prinzip lautet:

„Disagree & Commit – ich darf widersprechen, aber wenn die Entscheidung gefallen ist, unterstütze ich sie zu 100 %.“

Wenn dieses Prinzip gelebt wird, sinkt Ihre RoR automatisch. Nicht, weil alle begeistert sind, sondern weil klar ist: Der Hammer fällt nur einmal.

Messen Sie Ihre Re-Open-Rate über mehrere Monate. Die meisten Führungsteams sind überrascht, wie viel „Prozess-Abfall“ durch Wankelmut entsteht – und wie sich die Kultur verändert, sobald Re-Opens an klare Kriterien und ein sauberes Ticket gebunden werden.

Call to Action: Re-Open-Protokoll in Ihrer Organisation

Sie möchten das Re-Open-Protokoll technisch und kulturell sauber implementieren?

Im Decision-OS-Handbuch finden Sie in Kapitel 20.4 und in Anhang zur Decision Hygiene konkrete Vorlagen für:

  • das Re-Open Memo (Struktur und Pflichtfelder),
  • Moderator-Skripte, um ungültige Einwände abzublocken,
  • und die Verankerung von RoR im monatlichen Governance-Review.

Zusätzlich stellen wir unter Downloads und Tools & Selbsttests Vorlagen bereit, um RoR in Ihrem KPI-Cockpit sichtbar zu machen.

Re-Open Rate, Shadow Governance und die versteckten Kosten von Wankelmut

Eine hohe Re-Open-Rate ist selten ein isoliertes Problem. Sie hängt fast immer mit anderen Mustern zusammen: unklaren Delegationsregeln (DoA), einem verwahrlosten Decision-Log oder einer schwachen Decision Hygiene. Wenn Entscheidungen im Flur gekippt werden, verschiebt sich Macht aus dem offiziellen System in inoffizielle Kanäle – die klassische Shadow Governance.

Im Decision-OS betrachten wir RoR darum immer im Verbund mit anderen Governance-KPIs: der Time-to-Decision (TtD), der Strategic Kill-Rate und der Nutzung der DoA-Matrix. Erst im Zusammenspiel entsteht ein konsistentes Bild Ihrer Entscheidungsarchitektur – und eine klare Agenda für Veränderungen.

Für Unternehmen in Wachstums- und Transformationsphasen ist RoR ein besonders sensibler Frühindikator: Steigt die Quote deutlich an, bevor die Zahlen im Reporting kippen, lohnt sich ein gezielter Decision-OS Governance Check, bevor Sie in weitere „Change-Initiativen“ investieren, die das System nur zusätzlich belasten.

In einem kompakten Assessment lassen sich Daten aus Ihrem Entscheidungs- und Meeting-Alltag auswerten, typische Re-Open-Muster identifizieren und konkrete Leitplanken für ein stabiles „Disagree & Commit“ definieren – inklusive Moderationsleitfäden für Ihr Führungsteam-Workshop.

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