Strategic Kill-Rate: Warum Sie mehr Projekte stoppen müssen
Subline: Eine Strategie ist nur so gut wie die Dinge, die Sie nicht tun. Warum eine Quote von 0 % gestoppter Projekte kein Erfolg, sondern ein Alarmsignal ist.
Schauen Sie auf Ihre Liste laufender Projekte: Wie viele davon sind wirklich lebendig – erzielen also sichtbaren Fortschritt? Und wie viele sind nur noch „Zombies“ – Projekte, die eigentlich tot sind, aber weiter Ressourcen fressen, weil niemand den Mut hat, sie offiziell zu beerdigen?
In vielen Unternehmen gilt das Stoppen eines Projekts als Scheitern. Manager kämpfen um Budgets für Initiativen, an die sie selbst nicht mehr glauben, nur um ihr Gesicht zu wahren. Das Ergebnis ist der Strategic Freeze: Alle Ressourcen sind gebunden, nichts bewegt sich mehr.
Die Zombie-Apokalypse im Projektportfolio
In den meisten Unternehmen gibt es mehr lebende Tote als lebendige Projekte. Auf dem Papier sind alle Initiativen „in Arbeit“. In der Realität:
- ziehen wenige Leuchtturmprojekte wirklich durch,
- schleppen andere sich von Steering-Meeting zu Steering-Meeting,
- und manche sind faktisch tot – aber niemand spricht es aus.
Das Stoppen eines Projekts gilt kulturell als Scheitern. Führungskräfte kämpfen um Budgets für Vorhaben, an die sie innerlich längst nicht mehr glauben – nur um ihr Gesicht zu wahren. So entsteht der Strategic Freeze: Ressourcen sind gebunden, Fokus geht verloren, die Organisation wird träge.
Die Sunk Cost Fallacy in Echtzeit
Psychologisch steckt dahinter die Sunk Cost Fallacy – das Festhalten an einem Projekt, nur weil bereits viel investiert wurde:
„Wir haben schon 50.000 € investiert – wir können jetzt nicht aufhören.“
Doch: Sie können. Und oft sollten Sie.
Die Wahrheit ist brutal einfach: Das investierte Geld ist weg. Die einzige relevante Frage lautet: Werfen wir noch einmal 50.000 € hinterher – oder nicht?
Solange diese Frage nicht sauber gestellt und beantwortet wird, sammeln sich Zombie-Projekte in Ihrem Portfolio. Sie fressen Zeit, Aufmerksamkeit und Motivation – und verhindern, dass Ressourcen auf die echten Gewinner verschoben werden.
Die neue Metrik für Fokus: Strategic Kill-Rate
Im Decision-OS Framework messen wir nicht nur, was wir starten. Wir messen systematisch, was wir beenden. Dafür führen wir die Strategic Kill-Rate ein.
Definition: Der prozentuale Anteil der vorgeschlagenen oder laufenden Initiativen, die im Decision-Log den Status Killed erhalten haben.
Ein Log, in dem alles auf Decided (Ja) steht, ist kein Filter. Es ist ein Trichter, der Ihre Organisation verstopft.
Was ist eine gesunde Kill-Rate?
Natürlich hängt der konkrete Zielwert von Branche, Reifegrad und Risikobereitschaft ab. Als Daumenregel im Decision-OS gilt:
- 0 % Kill-Rate: Alarmstufe Rot. Sie haben keinen Fokus. Ihr Portfolio leidet unter „Projekt-Adipositas“. Es wird zu allem Ja gesagt – und die Strategie verwässert.
- Ca. 15–20 % Kill-Rate: Gesund. Sie probieren bewusst Dinge aus, erkennen Sackgassen und haben die Disziplin, Ressourcen von Verlierern abzuziehen, um sie auf Gewinner zu konzentrieren.
Merksatz: Entscheiden heißt wörtlich „abschneiden“ (decidere). Wer nichts abschneidet, entscheidet nicht.
Wie Sie Projekte würdevoll töten
Projekte zu beenden, ist emotional schwierig. Teams identifizieren sich mit ihrer Arbeit. Wenn etwas gestoppt wird, fühlt es sich schnell an wie ein Urteil über die Menschen – nicht über den Fit der Initiative.
Deshalb brauchen Sie nicht nur eine Kennzahl, sondern auch ein Ritual: das Project Funeral.
Wenn eine Initiative im Decision-Log auf Killed gesetzt wird, löschen wir sie nicht einfach. Wir beerdigen sie strukturiert in drei Schritten:
- Würdigung: „Wir stoppen dieses Projekt nicht, weil ihr schlecht wart, sondern weil sich die Strategie geändert hat oder die Wette nicht aufgegangen ist.“
- Ernte (Asset Harvesting): „Was haben wir gelernt? Welchen Code, welches Wissen, welche Artefakte behalten wir für zukünftige Initiativen?“
- Abschluss: Der Slack-Channel wird archiviert, das Projekt sichtbar geschlossen – und die gewonnene Freiheit bewusst gefeiert.
So entsteht keine zynische „Fail Fast“-Rhetorik, sondern eine Kultur, in der Scheitern als notwendiger Teil eines professionellen Portfoliomanagements verstanden wird.
Fazit: Feiern Sie das Nein
Wenn ein DRI im Meeting sagt: „Ich habe die Daten analysiert. Ich schlage vor, Projekt X sofort zu stoppen“, darf im Raum keine betretene Stille herrschen.
Eigentlich müsste es Applaus geben – denn diese Person hat der Organisation gerade Geld, Fokus und Nerven gespart.
Fangen Sie an, Ihre Kill-Rate zu tracken. Ein klares Nein ist oft die profitabelste Entscheidung, die Sie treffen können – und die einzige, die Zombie-Projekte wirklich beendet.
Call to Action: Kill-Rate und Project Funeral in Ihrer Organisation
Sie möchten Ihre Strategic Kill-Rate messbar machen und Project Funerals professionell moderieren, ohne Zynismus zu erzeugen?
Im Decision-OS-Handbuch finden Sie in Kapitel 12 die Berechnung der Kill-Rate und in Kapitel 15.3 ein detailliertes Drehbuch für das Ritual – inklusive Fragen, Moderationsleitfaden und Vorlagen für Ihr Projekt-Portfolio-Review.
Zusätzlich stehen unter Tools & Selbsttests und Downloads Checklisten bereit, mit denen Sie innerhalb weniger Wochen vom Bauchgefühl zu einem datenbasierten Portfolio-Management kommen.
Kill-Rate, Decision Debt und der echte Preis von Fokus
In Wachstumsphasen entsteht ein gefährlicher Reflex: Jede neue Idee bekommt ein Ticket, ein Projekt, ein Team. „Mehr“ wirkt wie Fortschritt – tatsächlich erzeugen Sie damit aber oft nur mehr Decision Debt: angefangene Wetten ohne klaren Abschluss. Die Strategic Kill-Rate fungiert hier als Korrektiv. Sie zwingt Führungsteams, den Mut zum Abbruch zu entwickeln – und sichtbar zu machen, dass Fokus nicht „weniger Ambition“, sondern höhere Schlagkraft bedeutet.
Im Decision-OS denken wir Kill-Rate nie isoliert, sondern verknüpfen sie mit der Decision Hygiene Scorecard, der Time-to-Decision und klaren Delegationsregeln in der DoA-Matrix. So wird aus „Wir sollten mal mehr Nein sagen“ eine messbare Governance-Architektur.
Wenn Sie derzeit das Gefühl haben, dass Ihre Roadmap übervoll ist, Ihre Teams permanent überlastet sind und trotzdem zu wenig strategische Outcomes entstehen, lohnt sich ein genauer Blick auf Ihre Kill-Rate. In vielen Fällen zeigt sich: Nicht die Leute sind das Problem – das Problem ist die fehlende Bereitschaft, mutig zu beenden.
In einem kompakten Decision-OS Portfolio Check lassen sich in wenigen Wochen Engpässe in Ihrem Projektmix identifizieren, Zombie-Initiativen sichtbar machen und eine klare Roadmap für Project Funerals, Re-Priorisierung und Governance-Updates erarbeiten.
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