Delegation of Authority (DoA): Die 4 Level der Autonomie
Subline: Warum „Darf ich das?“ die teuerste Frage in Ihrem Unternehmen ist – und wie Sie Mikromanagement durch eine Matrix ersetzen.
Ab einer bestimmten Größe kippen viele Unternehmen in ein paradoxes Muster: Mehr Mitarbeiter, mehr Meetings – und trotzdem werden Entscheidungen langsamer. Dieser Artikel zeigt, warum das kein Charakterproblem des CEOs ist, sondern ein Designfehler im System – und wie eine schlanke Delegation-of-Authority-Matrix (DoA) die Organisation vom Flaschenhals befreit.
Der CEO als Flaschenhals
Ab einer Größe von etwa 50 Mitarbeitenden passiert in vielen Unternehmen etwas Paradoxes: Sie stellen mehr Leute ein, um schneller zu werden – und trotzdem wird plötzlich alles langsamer.
Der Grund ist selten ein „falscher Mindset“, sondern ein strukturelles Problem. Das Postfach der Geschäftsführung platzt aus allen Nähten mit Fragen wie:
- „Darf ich den Freelancer buchen?“
- „Darf ich dem Kunden 10 % Rabatt geben?“
- „Darf ich das Software-Upgrade für 50 € bestellen?“
Viele Führungskräfte verwechseln dieses Muster mit Kontrolle. „Alles läuft über mich“, fühlt sich wichtig an. In Wahrheit ist es ein Designfehler: Die Organisation baut einen Flaschenhals ein – und der sitzt im Chefsessel.
Das Ergebnis: Erwachsene Experten werden infantilisiert. Statt im Mandat zu handeln, verbringen sie Zeit damit, für Kleinstbeträge oder triviale Entscheidungen um Erlaubnis zu fragen.
Die Lösung: Vorab-Entscheidung statt Einzelfall-Prüfung
Die Lösung ist keine weitere „Kultur der Offenheit“, sondern ein technisches Werkzeug: die Delegation-of-Authority-Matrix (DoA).
Sie ist eine Tabelle, die vorab und bindend regelt, wer was entscheiden darf. Sie verwandelt implizite Erlaubnis in explizite Mandate. Statt hunderten Einzelfall-Freigaben gibt es wenige, klar formulierte Regeln.
Klassische Konzern-Logiken („Bis 5.000 € darfst du entscheiden“) sind dafür oft zu grob. Im Decision-OS nutzen wir ein feineres Raster: die vier Level der Autonomie. Sie unterscheiden nicht nur nach Betrag, sondern vor allem nach Kommunikationspflicht.
Die 4 Stufen der Freiheit
Die DoA beantwortet nicht nur die Frage „Wer darf das?“, sondern auch: „Wen musst du informieren, bevor oder nachdem du gehandelt hast?“ Daraus entstehen vier klar unterscheidbare Level.
Level 1: TELL – Vollmacht
Regel: „Entscheide und sage es niemandem.“
Das Risiko ist so gering, dass eine Information darüber für die nächsthöhere Ebene nur Lärm wäre. Wir vertrauen den Mitarbeitenden hier zu 100 %.
Beispiele:
- Pizza für das Team-Lunch bestellen.
- Einen offensichtlichen Bug im System fixen.
- Ein günstiges Arbeitsmittel nachbestellen.
Alles, was in Level 1 gehört und trotzdem hoch eskaliert wird, ist ein Hinweis auf Misstrauen oder fehlende Klarheit.
Level 2: INFORM – Transparenz
Regel: „Entscheide sofort, aber informiere uns danach.“
Die Person hat volle Handlungsfreiheit, muss aber Verantwortung durch Transparenz zeigen – etwa durch einen Eintrag im Decision-Log oder eine kurze Notiz im entsprechenden Kanal. Die Führungsebene erfährt die Entscheidung, muss sie aber nicht genehmigen.
Beispiele:
- Eine Sales-Managerin gewährt 10 % Rabatt innerhalb eines definierten Korridors.
- Ein Teamleiter verschiebt Budget zwischen zwei bereits freigegebenen Maßnahmen.
Inform-Level-Entscheidungen sind der Standardfall in gesunden Organisationen: hohe Autonomie, gekoppelt mit sauberer Dokumentation.
Level 3: CONSULT – Beratung
Regel: „Du entscheidest, aber du musst vorher eine spezifische Person konsultieren.“
Das ist der mächtigste Hebel in der DoA. Die Entscheidungsgewalt bleibt beim DRI, aber er oder sie darf nicht im Silo entscheiden. Es besteht eine Pflicht, sich fachlichen Rat zu holen – zum Beispiel bei HR, Legal oder Finance.
Wichtig: Consult ist kein Veto. Wenn der Experte „Nein“ sagt, darf der DRI ihn überstimmen – muss das aber im Log begründen. So entsteht ein Spannungsfeld, das Qualität sichert, ohne die Verantwortung zu verwässern.
Beispiele:
- Ein Product Owner will einen datenschutzrelevanten Service integrieren und konsultiert vorab Legal.
- Ein Team plant eine Rollenänderung und holt sich vorher Einschätzung von HR.
Level 4: AGREE – Genehmigung
Regel: „Du bereitest vor, aber die übergeordnete Stelle muss zustimmen.“
Das ist das klassische Vier-Augen-Prinzip. Im Decision-OS setzen wir es bewusst sparsam ein – nur für existenzielle Risiken und One-Way Doors, also Entscheidungen, die sich nicht oder nur mit hohem Schaden zurückdrehen lassen.
Beispiele:
- Firmenübernahme oder Einstieg eines Investors.
- Fundamentaler Strategiewechsel in einem Kernmarkt.
- Schließung eines Standorts.
Wenn zu viele Themen auf Level 4 landen, ist das ein Alarmsignal: Die Organisation traut sich selbst nicht – oder der CEO kann nicht loslassen.
Fazit: Subsidiarität als Prinzip
Das Ziel einer guten DoA-Matrix ist es, Entscheidungen systematisch auf die niedrigstmögliche Ebene zu bringen, auf der sie kompetent und verantwortungsvoll getroffen werden können.
Wenn ein Teamleiter auf Level 2 entscheiden darf, sollte der CEO nicht eingreifen. Tut er es doch, unterläuft er das eigene System – und sendet ein klares Signal: „Am Ende zählt doch nur, was ich sage.“
Eine saubere DoA ersetzt Tausende von E-Mails und Chat-Nachrichten durch eine einzige, klar gepflegte Tabelle. In Verbindung mit einem Decision-Log und klaren DRI-Regeln entsteht ein Governance-System, das Geschwindigkeit, Qualität und Fairness miteinander verbindet.
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DoA als Skalierungshebel: Weg vom Erlaubnissystem, hin zu Mandaten
Viele wachsende Unternehmen scheitern nicht an ihrem Produkt, sondern an der Art und Weise, wie Entscheidungen durchs System laufen. Ein CEO, der jede Rabattfreigabe, jede Budgetverschiebung und jede Ausnahme selbst absegnen muss, skaliert nicht – er verzögert. Die Delegation-of-Authority-Matrix macht aus einem informellen Erlaubnissystem ein explizites Mandatssystem.
Im Zusammenspiel mit dem Decision-OS kann DoA viel mehr als nur Freigabegrenzen verwalten: Sie verknüpft Autonomie-Level mit Decision-Logs, DRI-Rollen und Decision-KPIs wie Time-to-Decision oder Re-Open-Rate. So wird sichtbar, wo Entscheidungen hängen bleiben, welche Abteilungen übersteuert werden und wo unnötige „Agree“-Schleifen die Organisation ausbremsen.
Besonders spannend ist die Wirkung im Zusammenspiel mit Decision Hygiene Scorecard und DRI-basierter Verantwortungslogik: Während DRI klärt, wer den Hut aufhat, und das Decision-Log dokumentiert, verschiebt DoA die Entscheidungsebene bewusst nach unten. Das ist gelebte Subsidiarität – und die Voraussetzung für jede Form von „Self-Driving Organization“.
Wenn Sie herausfinden möchten, wie Ihr aktuelles Entscheidungs-Setup im Vergleich zu einem DoA-gestützten Decision-OS abschneidet, können wir in einem kompakten Decision-OS Readiness Check Ihre Governance-Struktur durchleuchten – inklusive konkreter Vorschläge, welche Entscheidungen künftig auf welchem Level getroffen werden sollten.
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