Use-Case & Playbook

Schnittstellen-Stress reduzieren: RACI & Decision-Log für 2–3 kritische Übergaben

Jede Organisation hat sie: Übergaben, an denen Aufgaben hängen bleiben, Tickets kreisen und niemand genau weiß, wer jetzt eigentlich entscheidet. Das Ergebnis: Eskalationen, Doppelarbeit und Frust in den Teams.

In diesem Playbook zeige ich, wie ihr mit einem klaren RACI für 2–3 kritische Schnittstellen und einem einfachen Decision-Log innerhalb weniger Wochen spürbar Ruhe in eure Übergaben bringt – ganz ohne Tool-Rollout.

  • Schnittstellen & Übergaben
  • RACI & Decision-Log
  • B2B · 30–250 FTE
  • Lesedauer: ca. 7 Min
Team arbeitet an klaren Schnittstellen, Verantwortlichkeiten und einem Decision-Log
Schnittstellen klären, statt ständig hinterherzulaufen.

Von „Kann das bitte irgendwer übernehmen?“ zu klaren Übergaben in 14 Tagen

Schnittstellen-Stress fühlt sich im Alltag selten nach „Projekt“ an – eher nach einem Dauerrauschen aus Nachfragen, Missverständnissen und kleinen Eskalationen. Tickets kommen zurück mit „Das ist bei euch“, Mails werden im CC-Karussell hin- und hergeschoben, und am Ende ist niemand so richtig zuständig.

Die Folge: Entscheidungen hängen fest, Mitarbeitende verlieren Zeit und Nerven und wichtige Kunden- oder Produktentscheidungen werden zu spät getroffen. In vielen Unternehmen ist genau das der Grund, warum Strategien „eigentlich klar“ sind – aber der Fortschritt trotzdem stockt.

Die gute Nachricht: Ihr müsst nicht alle Prozesse neu erfinden. Es reicht oft, 2–3 kritische Übergaben konsequent zu klären – mit einem klaren Blick auf Rollen (RACI) und auf Entscheidungen (Decision-Log).

1. Warum Schnittstellen so teuer sind – und selten jemand den Preis kennt

Der Stress an Schnittstellen taucht in keinem klassischen Kostenblock auf. Er zeigt sich in versteckten Effekten:

  • Tickets brauchen mehrere Schleifen, bis sie an der richtigen Stelle landen.
  • Kundenthemen „versanden“ zwischen Vertrieb, Delivery und Support.
  • Teams blockieren sich gegenseitig, weil Freigaben fehlen oder unklar sind.
  • Führungskräfte werden zur Eskalationsinstanz für jedes Detail.

Wenn man die Zeit mal ehrlich zusammenrechnet, sind das schnell mehrere Vollzeitstellen, die faktisch nur damit beschäftigt sind, Missverständnisse zu klären. Zusätzlich leidet die Stimmung – denn Schnittstellen-Stress wird persönlich genommen: „Die da drüben liefern nie richtig zu“, „Die verstehen unser Geschäft nicht“, „Mit denen ist einfach keine Zusammenarbeit möglich“.

Aus Sicht von Decision-OS ist das ein klarer Hinweis: Die Governance an der Schnittstelle fehlt. Es ist nicht sauber geregelt, wer wofür verantwortlich ist, wer wann entscheiden darf und wie Entscheidungen dokumentiert werden. Genau hier setzen RACI und Decision-Log an.

2. Typische Muster: Alle reden mit – niemand entscheidet klar

In der Praxis tauchen immer wieder dieselben Muster auf:

  • „Alle sind beteiligt, niemand ist verantwortlich“: Mehrere Teams hängen an derselben Schnittstelle, aber es gibt keinen klaren Accountable (A) oder DRI.
  • „Wir haben Prozesse, aber nicht den Alltag“: Es existieren Prozesslandkarten und Swimlanes – im Alltag laufen Übergaben trotzdem über persönliche Netzwerke und Ad-hoc-Abstimmungen.
  • „Tool-Zoo statt Klarheit“: Jira, Service-Desk, CRM, Excel – aber ohne eindeutige Regeln für Übergaben und Freigaben. Jeder arbeitet „irgendwie“ im Tool, doch niemand hat den Überblick.
  • „Entscheidungen bleiben in der Luft hängen“: Themen wandern durch Meetings, ohne dass jemand klar sagen kann, wer was entschieden hat und bis wann das gilt.

All diese Muster lassen sich nicht mit mehr Motivation oder „besserer Kommunikation“ lösen. Es braucht Struktur: Klar definierte Rollen an der Schnittstelle und ein einfaches System, um Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.

3. Fokus statt Overkill: 2–3 Übergaben mit dem größten Hebel wählen

Ein typischer Fehler: Man will es „richtig“ machen – und startet mit einer kompletten RACI für alle Prozesse. Das ist gut gemeint, aber in der Realität zu viel auf einmal. Sinnvoller ist es, mit 2–3 kritischen Übergaben zu beginnen:

  • Vertrieb → Delivery / Umsetzung
  • Produkt / Fachbereich → IT / Entwicklung
  • Operations / Service → Finance / Controlling
  • Standort A → Standort B (z. B. Produktion / Logistik)

Die Auswahl ist einfach: Fragt eure Führungskräfte und Teams, wo es am meisten knirscht. Dort, wo regelmäßig Themen eskalieren, Deadlines reißen oder wichtige Kunden unzufrieden sind, liegt euer Startpunkt.

Der Vorteil dieser Fokussierung: Ihr seht schnell messbare Effekte – und könnt das Vorgehen anschließend auf weitere Schnittstellen übertragen.

4. RACI an der Schnittstelle: Klarheit in einem 90-Minuten-Workshop

RACI ist kein Selbstzweck. Richtig eingesetzt, beantwortet das Modell eine simple Frage: „Wer macht hier eigentlich was – und wer entscheidet im Zweifel?“

Ein pragmatischer RACI-Workshop für eine Schnittstelle läuft in etwa so:

  • Schritt 1 – Scope eingrenzen:
    Welche konkrete Übergabe betrachten wir? Zum Beispiel: „Vom unterschriebenen Angebot bis zum Kick-off mit dem Kunden.“
  • Schritt 2 – Ergebnis definieren:
    Woran erkennen wir, dass die Schnittstelle gut funktioniert? (z. B. klarer Starttermin, vollständige Unterlagen, definierte DoD für „Startbereit“).
  • Schritt 3 – Rollen sammeln:
    Welche Rollen sind beteiligt? (z. B. Sales, Delivery Lead, Projektleitung, Fachbereich, Finance).
  • Schritt 4 – R/A/C/I verteilen:
    Für die wichtigsten Schritte an der Schnittstelle wird entschieden, wer Responsible (macht), wer Accountable (trägt die Verantwortung), wer Consulted und wer Informed ist.
  • Schritt 5 – Konflikte klären:
    Überall dort, wo „zu viele Rs“ oder „zu viele As“ stehen, wird konkret gesprochen: Wer soll es wirklich führen? Wo braucht es weniger Beteiligte?

Wichtig ist, dass die RACI nicht im Elfenbeinturm entsteht. Diejenigen, die an der Schnittstelle arbeiten, sollten im Raum sein. Nur dann entstehen Zuschnitte, die in der Praxis tragen.

RACI liefert die Grundlage für Klarheit. Damit Übergaben im Alltag wirklich ruhiger werden, braucht es zusätzlich ein einfaches Decision-Log, in dem die wichtigsten Schnittstellen-Entscheidungen dokumentiert werden.

5. Decision-Log: Die wichtigsten Schnittstellen-Entscheidungen sichtbar machen

Das Decision-Log ist bewusst leichtgewichtig. Es geht nicht darum, jede Kleinigkeit zu protokollieren, sondern die Entscheidungen, die Schnittstellen entlasten oder immer wieder zu Reibung führen.

Ein einfaches Decision-Log für eine Übergabe könnte folgende Felder enthalten:

  • Datum – Wann wurde entschieden?
  • Thema – Worum geht es konkret?
  • Entscheidung – Was ist der Beschluss?
  • Owner / Accountable – Wer trägt die Verantwortung?
  • Betroffene Schnittstelle – z. B. „Sales → Delivery“.
  • Fällig bis – Bis wann muss die Entscheidung umgesetzt sein?
  • Status – offen, in Umsetzung, erledigt.

Ob ihr dieses Log in Excel, Miro, Jira oder einem anderen Tool führt, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass es eine zentrale Sicht gibt, an der sich Teams orientieren können.

Tipp: Bindet das Decision-Log direkt an euren Meeting-Takt an. Jede Woche kurz prüfen: „Welche Schnittstellen-Entscheidungen sind offen, was ist neu, was ist erledigt?“

6. Ein 14-Tage-Playbook: So geht ihr konkret vor

Ein möglicher Start in 14 Tagen könnte so aussehen:

  • Tag 0 – Vorbereitung:
    2–3 Schnittstellen auswählen, bei denen es am meisten knirscht. Kurze Bestandsaufnahme: Wie viele Eskalationen? Wie oft gehen Tickets zurück? Wie viele Personen sind typischerweise involviert?
  • Tag 1 – RACI-Workshop:
    90 Minuten pro Schnittstelle, wie oben beschrieben. Ziel: Klarheit über R/A/C/I, sichtbare Konflikte lösen, erste Definition-of-Done („Wann gilt eine Übergabe als sauber?“).
  • Tag 2 – Decision-Log aufsetzen:
    Ein einfaches Log anlegen, 5–10 der wichtigsten bisherigen Entscheidungen nachtragen – und vereinbaren, wie neue Entscheidungen eingetragen werden.
  • Woche 1 – Testlauf:
    Die neue RACI nutzen, bei echten Übergaben auf das Decision-Log verweisen. Einmal pro Woche ein 15-Minuten-Check-in zu den Schnittstellen einplanen.
  • Woche 2 – Nachschärfen & Einfrieren:
    RACI und Decision-Log anhand der Erfahrungen justieren: Was war zu kompliziert? Wo fehlen Felder? Am Ende einen „Version 1.0“-Stand festhalten – und bewusst vereinbaren, dass ihr erst in 4–6 Wochen wieder anfasst.

Der Effekt: Schon nach zwei Wochen spüren Teams, dass Übergaben weniger reibungsvoll laufen. Es gibt Ansprechpersonen, Entscheidungen sind auffindbar und Eskalationen brauchen weniger Runden.

7. Wie ihr den Erfolg messt – ohne ein eigenes Reporting-Projekt

Damit sich der Aufwand lohnt, solltet ihr ein paar einfach messbare Kennzahlen definieren, bevor ihr startet. Beispiele:

  • Durchlaufzeit einer Übergabe (z. B. vom unterschriebenen Angebot bis Kick-off).
  • Anzahl der Rückfragen pro Übergabe („Wir brauchen noch…“).
  • Anzahl der Eskalationen pro Monat an der Schnittstelle.
  • Subjektive Belastung der beteiligten Teams (kurzer Pulse-Check, z. B. 1–5).

Schon nach 4–6 Wochen könnt ihr erkennen, ob die Maßnahmen wirken. Typische Effekte:

  • Durchlaufzeiten −20–40 %.
  • Deutlich weniger Ping-Pong-Mails und Ticket-Rückgaben.
  • Weniger (und kürzere) Eskalationsgespräche.
  • Spürbar mehr Ruhe an der Schnittstelle – und damit mehr Fokus auf eigentliche Arbeit.

Genau hier schließt sich der Kreis zu deinem Decision-OS: Ihr schafft erst Ordnung an den Engpässen (Schnittstellen), bevor ihr automatisiert oder skaliert. Governance vor Tool.

8. Wann ihr euch Unterstützung holen solltet

RACI & Decision-Log sind keine Raketenwissenschaft – aber sie sind ungewohnt. Gerade, wenn es zwischen Bereichen schon länger Spannungen gibt, hilft ein neutraler Dritter, der den Prozess führt, Konflikte übersetzt und dafür sorgt, dass aus dem Workshop echte Entscheidungen statt Kompromissformeln entstehen.

Das gilt besonders, wenn:

  • mehrere Standorte oder Gesellschaften beteiligt sind,
  • die Schnittstelle mit wichtigen Kunden oder Regulatorik zu tun hat,
  • es bereits eine Geschichte aus eskalierten Projekten und Vertrauensverlust gibt.

In solchen Situationen ist es oft günstiger, in einen klar strukturierten, moderierten Sprint zu investieren, als weitere Monate in latentem Schnittstellen-Stress zu verbringen.

Wenn ihr das Thema systematisch angehen wollt, ist es sinnvoll, die Schnittstellenarbeit im Rahmen eines Decision-OS-Piloten aufzusetzen: mit klaren Kennzahlen, einem festen 14-Tage-Fokus und der Option, die Ergebnisse anschließend in euren gesamten Operating Rhythm zu integrieren.

Von „Übergabe-Chaos“ zur klaren Entscheidungsschicht

Kritische Schnittstellen sind selten ein „People Problem“, sondern fast immer ein Governance-Thema: Rollen sind nicht sauber geklärt, Entscheidungen werden in Meetings zerredet oder verschwinden in Tools, ohne dass jemand die Verantwortung übernimmt. Genau hier setzt Decision-OS an.

Statt neue Software einzuführen, legen wir eine leichte Entscheidungsschicht über euren bestehenden Stack. Mit RACI, Decision-Log und einem klaren Operating Rhythm reduziert ihr Reibung, Reopens und Eskalationen – und zwar zuerst an 2–3 Engpass-Übergaben, bevor ihr skaliert.

Wenn ihr wissen wollt, wie Decision-OS in eure bestehende Struktur passt, lohnt sich ein Blick auf die Decision-OS Seite und unser ADIAMO-Modell. Dort seht ihr, wie Diagnose, Governance und Transfer zusammenlaufen – ohne Tool-Overhead und mit klar messbaren Effekten.

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